BBZ erweitert Angebot für werdende Mütter / Beratungsbedarf wächst durch Flüchtlingsfamilien / Fehlende Geburtsstation hat fatale Folgen
Niebüll. Ein wenig schwanger geht nicht. „Das geht nur ganz oder gar nicht – und oft begleitet von vielen Fragen, Sorgen oder gar Ängsten“, sagt Kornelia Klawonn-Domin, Leiterin der Familienbildungsstätte und des Beratungs- und Behandlungszentrums (BBZ) Niebüll, Diakonisches Werk Südtondern mit Sitz in Niebüll. Schon eine normale, gewünschte Schwangerschaft stellt das Leben der Eltern meist komplett auf den Kopf. Ungewollt schwanger, schwanger mit einem behinderten Kind, mit einem gewalttätigen Partner oder als alleinerziehende Mutter in Geldnot – in solchen Fällen kann das an sich freudige Ereignis dann sogar zu einer Herausforderung des Schicksals werden, die Verzweiflung und Hilflosigkeit hervorruft.
Um bei möglichst vielen Sorgen und Nöten rund um das Thema Schwangerschaft helfen zu können, hat das BBZ das Angebot für werdende Mütter und Väter erheblich ausgeweitet – und zwar von der Schwangerschaftskonflikt- zu einer Schwangerschaftsberatung. „Noch sind wir in der Testphase, aber schon jetzt – knapp acht Monate nach dem Start – können wir sagen, dass dieser Schritt richtig war“, sagt Kornelia Klawonn-Domin. „Das neue Angebot wird sehr gut angenommen, ich bin ziemlich ausgelastet“, sagt Alexandra Haufe, studierte Sozialpädagogin, die zehn Stunden pro Woche für die Beratung und Hilfe in der Schwangerschaft im Einsatz ist.
Der Bedarf und das Angebot setzen nun aber bereits vor der Schwangerschaft an. „Unerfüllter Kinderwunsch oder die Sorge, ob man sich ein Baby finanziell überhaupt leisten kann oder wie man für eine Familie bezahlbaren Wohnraum in Niebüll finden kann – auch für solche Probleme ist unsere kostenlose und vertrauliche Beratung da“, sagt Alexandra Haufe. Fragen zu den Themen Sexualität und Familienplanung werden von ihr ebenfalls beantwortet. Für die Lösung dieser und vieler weiterer Probleme bietet das BBZ unter seinem eigenen Dach oder durch einen engen Draht zu zahlreichen Behörden und Institutionen ein großes Netz von Experten an, die im Notfall auch sofort weiter helfen können.
Ein deutlicher Mehraufwand für die Schwangerschaftsberatung hat sich durch die Flüchtlingsfamilien ergeben, die in den vergangenen Jahren im Norden Nordfrieslands ein neues Zuhause gefunden haben. „Für diese Klienten stehen auch Dolmetscher bereit“, sagt Alexander Haufe. Freundlich, besonnen und Vertrauen erweckend wirkt die 28-Jährige, die sich den vielen, ganz unterschiedlichen Sorgen von Schwangeren stellt – und das immer offen. „Ich freue mich, wenn ich weiter helfen kann, aber ich bewerte niemals die Situation der Menschen, die zu mir kommen“, betont die Expertin, die auch mit den Frauenärzten der Stadt in gutem Kontakt steht. „Diese entscheiden zum Beispiel, ob eine Minderjährige selbst entscheiden soll und kann, ob eine ungewollte Schwangerschaft abgebrochen wird“, sagt Alexandra Haufe, die das dafür gesetzlich vorgeschriebene Konfliktgespräch führt. Dieses ist nun aber nur noch ein Teil der umfassenden Schwangerschaftsberatung, zu der auch die Begleitung nach dem Verlust eines ungeborenen Kindes zählt. „Sehr wichtig, weil extrem belastend ist auch der Bereich Pränataldiagnostik“, sagt Alexandra Haufe. Besonders wenn das Risiko besteht oder gar festgestellt wird, dass eine Frau ein behindertes Kind austrägt. Dann und auch sonst berät die gebürtige Düsseldorferin kostenlos, vertraulich und auf Wunsch auch anonym.
Eine ganz große neue Sorge für werdende Mütter in Südtondern ist das Aus für die Geburtsstation am Klinikum Niebüll. „Besonders beim ersten Kind belastet die werdenden Mütter die Angst, nicht rechtzeitig ins Krankenhaus nach Husum, Flensburg oder Heide zu kommen, ganz besonders natürlich auf den Inseln“, berichtet Alexandra Haufe aus ihren Gesprächen. Einige Mütter schauen sich gleich drei Kreißsäle an, weil nicht wissen, wo sie gebären können, wenn es denn so weit ist. „Da gibt es Fälle, da werden Frauen zunächst nach Flensburg gefahren und dann, weil dort alle Kreißsäle belegt sind, nochmal weiter nach Heide. Künftig werden immer mehr Kinder auf der Straße oder auf der Fähre zur Welt kommen müssen“, befürchtet Kornelia Klawonn-Domin. Sie erwartet zudem einen deutlichen Rückgang der spontanen Geburten, da sich immer mehr Frauen für einen planbaren Kaiserschnitt entscheiden würden. „Um das Risiko zu minimieren und auch, weil sie keine Betreuung für ihre anderen Kinder haben, falls sie wochenlang in Boarding-Häusern auf die Geburt weit weg vom Wohnort warten müssen“, erklärt die BBZ-Leiterin. „Die gesundheitlichen Folgen für Mutter und Kind, die sich aus dieser Problemlage ergeben, werden meiner Ansicht nach weit größer sein, als die, die sich durch den Verbleib der Geburtsstation in Niebüll jemals hätten ergeben können.“
Anja Werner
Eng kooperiert das BBZ für das Thema Schwangerschaft mit der AWO Sylt und dem Diakonischen Werk in Husum. Das BBZ selbst hat für werdende Eltern zudem noch Außenstellen auf Föhr und in Leck. Die Schwangerschaftberatung ist erreichbar unter Telefon: 04661/96590 oder per Email unter: bbz.niebuell@dw-suedtondern.de.